Am 30.05.2024 verstarb mit Ingenieur Dr. Werner Reichelt ein Vater des Trabant
Ohne die Kunststoffkarosserie wäre der Trabant nicht vorstellbar gewesen. Dr. Werner Reichelt war einer der maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligten Ingenieure und trug gemeinsam mit Leuten wie Wolfgang Barthel und vielen anderen dazu bei, diese damals völlig neue Technologie zu erproben und schließlich zur Serienreife zu bringen. Das erste Fahrzeug, welches serienmäßig mit Außenteilen aus Duroplast-Karosseriewerkstoff ausgerüstet wurde, war ab 1955 der IFA P70, der im VEB Automobilwerk Zwickau (dem vormaligen Audi-Werk) gefertigt wurde. Der P70 bot die Gelegenheit, diesen neuen Werkstoff zu erproben, Material und Technologie soweit zu verbessern, daß die Großserienfertigung des Trabant ab 1958 möglich wurde. Die gesamte Fertigung des Werkstoffes, der aus Baumwollfasern und Phenolharz hergestellt wurde, geht nicht zuletzt auf Dr. Werner Reichelt zurück.
Kunststoff-Entwicklung als Lebenswerk
Man kann es getrost sagen: Die Kunststoffentwicklung war das Lebenswerk Dr. Werner Reichelts. Ohne sein Wirken und die Arbeit aller an dem Projekt Beteiligten wären niemals drei Millionen PKW Trabant in Zwickau vom Band gelaufen. Seine Initiativen halfen mit, die DDR-Bevölkerung zu motorisieren. Viele konnten sich im Laufe der Jahrzehnte mit dem Trabant auf Reisen begeben, der Kleinwagen wurde zum Familienauto, zum Dienstfahrzeug und zum Transporter für alle denkbaren und undenkbaren Güter. Insbesondere der Trabant 601 profitierte mit etwa 2,8 Millionen gefertigten Exemplaren von dieser Entwicklung.
Doch ursprünglich begann Dr. Reichelt seine Arbeit im Juni 1952 als Blechumformungsspezialist und stellvertretender Bereichsleiter der Blechbearbeitung der Horchwerke in Zwickau. Später wirkte er in der Kunststoffentwicklung beim Wissenschaftlich-Technischen Zentrum (WTZ) Automobilbau, das als Nachfolger des Zentralen Konsturktionsbüros der einstigen Auto Union seinen Sitz in Chemnitz hatte, aber eine Außenstelle für Kunststoffentwicklung auf dem Gelände des Audi-Werkes in Zwickau betrieb. So kam es, daß Werner Reichelt jahrzehntelang auf dem Werksgelände des VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau arbeitete, aber gar nicht in diesem Betrieb angestellt war, sondern beim WTZ. Er arbeitete in diesem Betriebsteil als Fachgebiets- und Abteilungsleiter bis 1991 – das sind 39 Jahre im Dienste des Zwickauer Automobilbaus. Er ist an 32 Patenten zur Kunststoffherstellung beteiligt, insbesondere die heiz- und abkühlbaren Pressen sowie die Teilautomatisierung der Produktion des Vormaterials gehen auf ihn zurück. Ohne ihn hätte es die Trabant-Produktion in dieser Form vielleicht nie gegeben.
Am 31. Mai 2024 ist Dr. Werner Reichelt im Alter von 96 Jahren verstorben. Mit ihm ist einer der letzten „Väter des Trabant“ von uns gegangen.
Link: Traueranzeige in der Tageszeitung „Freie Presse“
Nachruf des Fördervereins August-Horch-Museum e.V. Zwickau
Mit freundlicher Genehmigung des Fördervereins August-Horch-Museum e.V. dürfen wir diesen Video-Nachruf bei uns auf der Seite veröffentlichen: